Die YouTube-Videos flüstern, knistern, tippen und knacken. Millionen Menschen weltweit schwören auf ASMR – eine Abkürzung für Autonomous Sensory Meridian Response, also eine Art angenehm kribbelnder Gänsehaut-Effekt. Für viele wirkt ASMR entspannend, einschläfernd oder stimmungsaufhellend. Doch was ist dran an der viralen Sinneserfahrung? Und vor allem: Ist ASMR gefährlich?

Was passiert im Gehirn bei ASMR?

Menschen, die auf ASMR reagieren, berichten von einem prickelnden Gefühl im Nacken, das sich wellenartig über Kopfhaut und Rücken ausbreitet – ausgelöst durch Geräusche wie Flüstern, Haarebürsten oder Papierrascheln. Neurologisch ist ASMR noch nicht vollständig erforscht, aber erste Studien deuten auf eine erhöhte Aktivierung in Hirnarealen hin, die mit Entspannung, Empathie und Belohnung zusammenhängen (z. B. Precuneus, Nucleus Accumbens).Junge Frau liegt entspannt mit großen Kopfhörern vor einem Laptop und hört ASMR in einem hellen Zimmer.

Ein Paper der Universität Sheffield aus dem Jahr 2018 zeigt: Bei ASMR-Testpersonen sank die Herzfrequenz und der Hautleitwert – ähnlich wie bei tiefer Meditation. Der Körper geht in einen Ruhezustand. Das klingt erstmal positiv. Aber ist diese Reaktion auch immer unproblematisch?

📄 Barratt & Davis (2015), PeerJ: ASMR als Flow-Zustand
📄 Smith et al. (2019), bioRxiv: Funktionelle Konnektivität bei ASMR

 

Kann ASMR Nebenwirkungen haben?

Für gesunde Menschen gilt ASMR als unbedenklich. Es gibt keine Hinweise auf physische Schädigung oder Suchtgefahr durch den Konsum entsprechender Inhalte. Allerdings berichten einige Nutzer von ungewollten Effekten, besonders bei sehr intensiven Sessions:

  • Kopfschmerzen nach langen Hörphasen mit Kopfhörern

  • Reizüberflutung bei hochsensiblen Personen

  • Starke emotionale Reaktionen bei Triggern mit persönlicher Bedeutung

  • Unruhe oder Schlafprobleme, wenn ASMR vor dem Einschlafen „nicht wirkt“

In Einzelfällen kann ASMR also überstimulieren oder Erwartungen wecken, die der Inhalt nicht erfüllt. Auch die Abhängigkeit vom Einschlafritual kann langfristig problematisch sein, wenn ASMR zur einzigen Einschlafhilfe wird.

Ist ASMR für Kinder gefährlich?

ASMR-Inhalte werden auch von Jüngeren konsumiert, teils ohne Verständnis für die Wirkung. Zwar sind viele Clips harmlos – etwa Rollenspiele in Bibliotheken oder Papierschneide-Sounds – doch nicht alle ASMR-Videos sind für Kinder geeignet.

Kritische Punkte:

  • Einige Inhalte imitieren medizinische Untersuchungen oder intime Situationen.

  • Der flüsternde Tonfall kann erotisch konnotiert wirken.

  • Kommentare und Communitys unter ASMR-Videos sind nicht immer altersgerecht moderiert.

Frau hält einen Make-up-Pinsel vor ein Mikrofon und erzeugt ASMR-Geräusche in einem heimischen Setup.

Für Eltern empfiehlt sich eine gezielte Auswahl und Erklärung, was ASMR ist und wie es wirkt. Am besten gemeinsam entdecken – wie bei jedem digitalen Medium.

📺 Beispielhafter Kanal: Gibi ASMR auf YouTube
📺 Gentle Whispering ASMR (Maria)
🎧 Podcast: Sleep and Relax ASMR (Spotify)

Wie sieht es mit Datenschutz und Plattformen aus?

ASMR wird meist über YouTube oder TikTok konsumiert – Plattformen, die personalisierte Werbung und Tracking einsetzen. Wer regelmäßig ASMR konsumiert, gibt ein spezifisches Nutzungsverhalten preis, das auf psychologische Präferenzen schließen lässt (z. B. Empfänglichkeit für emotionale Reize).

Empfehlung:

 

Beruhigend – aber bewusst genießen

ASMR ist nicht gefährlich im klassischen Sinn, kann aber – wie jede Technologie zur Selbstregulation – problematisch werden, wenn sie unreflektiert oder exzessiv genutzt wird. Wer die Methode bewusst einsetzt, auf seinen Körper hört und zwischen harmloser Entspannung und Überreizung unterscheiden kann, profitiert.

Ein achtsamer Umgang ist der Schlüssel: ASMR ist kein Allheilmittel, aber ein spannender Zugang zur eigenen Sinneswahrnehmung. Für die einen wirkt es wie Meditation – für die anderen bleibt es ein Rätsel. Und das ist völlig in Ordnung.